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Kommerzielle Datensammelei: Hört Facebook mit? | Eintrag November 2017
Nutzt Facebook das in Smartphones eingebaute Mikrofon, um Gespräche der NutzerInnen zu belauschen und auszuwerten? (08.12.2017)
Förderjahr 2016 / Projekt Call #11 / ProjektID: 1933 / Projekt: Tracking the Trackers

Nutzt die Facebook-App das in Smartphones eingebaute Mikrofon, um Gespräche der Nutzer zu belauschen und auszuwerten? Wolfie Christl, der Projektleiter von "Tracking the Trackers", hat in der aktuellen Ausgabe von "Chip" dazu Stellung genommen.

In den letzten Monaten gab es immer mehr Berichte über die Frage, ob die App von Facebook das in Smartphones eingebaute Mikrofon heimlich dazu benutzt, um unsere Gespräche zu belauschen und automatisiert entsprechende Werbung zu schalten. Facebook hat das inzwischen dementiert, der zum Facebook-Kritiker mutierte ehemalige Facebook-Mitarbeiter Antonio García Martínez hat beschrieben, warum eine konstante Überwachung aller Gespräche für die Plattform weder technisch effizient noch ökonomisch sinnvoll wäre.

Aber warum kann es nun trotzdem auf uns so wirken, als ob Facebook genau wüsste, worüber wir uns mit anderen Menschen unterhalten haben? Wolfie Christl, der Projektleiter von "Tracking the Trackers", hat in der aktuellen Ausgabe von Chip ausführlich dazu Stellung genommen:

"Den meisten Menschen ist nicht bewusst, wie tiefgreifend digitale Informationen über unseren Alltag inzwischen ausgewertet, verknüpft und zwischen Firmen ausgetauscht werden. Es kann genügen, dass ein Freund ein bestimmtes Produkt gekauft hat - oder sich nur dafür interessiert hat, online danach gesucht, eine entsprechende Website besucht, ein Foto mit dem Produkt hinaufgeladen oder sich auch nur in der Nähe eines bestimmten Geschäfts aufgehalten hat.

Immer mehr Geräte aus unserem Alltag erfassen digitale Informationen über unsere Verhaltensweisen. Wir werden immer mehr von Unternehmen digital beobachtet.  Die Firmen machen, was sie wollen und oft verstehen nicht einmal Experten, welche Daten zwischen Firmen ausgetauscht werden. Es ist wie im wilden Westen.

Diese Art des Tracking erfolgt großteils versteckt und umfasst unterschiedlichste Lebensbereiche. Wir haben oft keine Chance, zu verstehen, wie sich unsere Handlungen auf die Werbeanzeigen auswirken, die wir sehen, oder gar auf Angebote und Preise.

Viele Menschen fühlen sich unwohl und versuchen, Zusammenhänge zwischen ihren Verhaltensweisen und deren digitalen Auswirkungen herzustellen. Wir wissen, dass sich Menschen anders verhalten, wenn sie sich beobachtet fühlen.

Diese Art der unkontrollierten Datensammelei muss aufhören. Die ePrivacy-Verordnung könnte Abhilfe schaffen, wenn sie in den nächsten Wochen nicht noch von den Industrie-Lobbys sturmreif geschossen und dadurch wirkungslos gemacht wird"

Wir können also davon ausgehen, dass Facebook aktuell keine Gespräche belauscht, weil der Datensammel-Gigant das gar nicht nötig hat. Allerdings gibt es genügend andere Geräte und Dienste, die auswerten, was wir sprechen. Und auch wenn dies für Facebook vielleicht heute technisch und ökonomisch nicht sinnvoll ist, könnte sich die Situation morgen schon ganz anders darstellen.

Darum ist die kommerzielle Erfassung und Auswertung von Audio-Daten auch eines der Schwerpunkt-Themen, die die Plattform "Tracking the Trackers" dokumentieren wird.

Wolfie Christl

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Wolfie Christl lebt in Wien und beschäftigt sich seit 15 Jahren mit den gesellschaftlichen Implikationen von Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere mit der Ökonomie persönlicher Daten im digitalen Zeitalter. Im Herbst 2016 wurde sein gemeinsam mit der Forscherin Sarah Spiekermann verfasstes Buch "Networks of Control" veröffentlicht – eine umfassende Studie zu kommerzieller digitaler Überwachung, Online Tracking, Big Data und Privatsphäre. Seine 2014 veröffentlichte Studie zum Thema wurde im deutschen Sprachraum breit diskutiert und im Europäischen Parlament präsentiert. Wolfie Christl ist Leiter von Cracked Labs, dem Wiener Institut für kritische digitale Kultur, und Mitinitiator des international vielfach ausgezeichneten Online-Spiels "Data Dealer", das sich mit viel Witz und Ironie den brisanten Themen Überwachung und Datenschutz widmet. Er war 2015 außerdem als inhaltlicher Berater für DONOTTRACK tätig, einer mehrteiligen Web-Doku über digitales Tracking, schreibt unregelmäßig für Medien wie die FAZ und hat viele Vorträge und Workshops in Europa und den USA gehalten. Er und seine Projekte wurden u.a. in der New York Times, Washington Post, Forbes, Guardian und Le Monde zitiert. Auszeichnungen u.a. Games for Change Award (USA), e-virtuoses Serious Games Award (FR), Jury-Auszeichnung beim Staatspreis Multimedia (AT).
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