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HEAT 2.0 - Zivilgesellschaftliche Partizipation am Gesetzgebungsprozess
HEAT 2.0 - Blogpost März 2019 (07.03.2019)
Förderjahr 2018 / Project Call #13 / ProjektID: 3292 / Projekt: HEAT 2.0

Zivilgesellschaftliche Partizipation am Gesetzgebungsprozess

- von Erwin Ernst Steinhammer

Der österreichische Gesetzgebungsprozess beginnt entweder mit einer Regierungsvorlage, mit einem Antrag von mind. 5 Nationalratsmitgliedern, einem Antrags des Bundesrates oder einem Volksbegehren. Die Mehrheit der Gesetzesbeschlüsse in Österreich geht auf Regierungsvorlagen zurück. Zwischen 1975 und 2001 betraf dies 70% der Gesetzesbeschlüsse im Parlament. Diesen Regierungsvorlagen geht der sogenannte vorparlamentarische Prozess voraus. Der vorparlamentarische Prozess bildet also die Grundlage der meisten Gesetze.

Die primäre Rechtsgrundlage ergibt sich aus Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften. Daneben ergeben sich aus dem Deregulierungsgrundsätzegesetz und der Grundsatzverordnung über die wirkungsorientierte Folgenabschätzung (WFA) weitere rechtliche Rahmenbedingungen für den vorparlamentarischen Prozess. Die WFA verpflichtet die BundesministerInnen dazu, Regelungsvorhaben im Hinblick auf ihre wesentlichen Auswirkungen systematisch zu untersuchen, zu bewerten und aufzubereiten.

Begutachtungsverfahren

Kern des vorparlamentarischen Prozesses ist das öffentliche Begutachtungsverfahren, welches der Zivilgesellschaft die Möglichkeit gibt, am Gesetzgebungsprozess mitzuwirken. Dieses Verfahren ist zwar nicht näher gesetzlich geregelt, es gibt jedoch Rundschreiben des Bundeskanzleramtes, die Mindeststandards – wie beispielweise die Begutachtungsdauer – festlegen. Allerdings kann von diesen Mindeststandards abgewichen werden.

Meist beginnt der Gesetzgebungsprozess mit dem sogenannten Ministerialentwurf, den das zuständige Ministerium entwirft. Die Ministerialentwürfe werden auf der Parlamentswebseite öffentlich zugänglich gemacht und jede juristische und natürliche Person kann eine Stellungnahme abgeben, in der sie ihre Zustimmung, Ablehnung oder Detailkritik ausformuliert. Die Stellungnahmen werden ebenfalls auf der Parlamentshomepage veröffentlicht. Nach Ablauf der Frist überarbeitet das Ministerium den Entwurf, wobei die bis zur Frist eingelangten Stellungnahmen berücksichtigt werden können. Der finale Entwurf wird dann vom Ministerrat abgestimmt und bei Einstimmigkeit als Regierungsvorlage im Parlament eingereicht.

Durch die Einbindung der Bürgerinnern und Bürger wird das Begutachtungsverfahren als wertvolles Instrument der österreichischen Demokratie gewertet.

In der 25. Legislaturperiode (2013-2017) gab es 329 solcher Begutachtungen bei 454 Regierungsvorlagen. Wobei nur 77 der 197 nicht begutachteten Vorlagen gewöhnliche Gesetze darstellten, der Rest waren Staatsverträge, Ministerratserlässe und 15a - Vereinbarungen.

Eine Sonderform der Begutachtung stellt die Ausschussbegutachtung dar. Diese kann von einem parlamentarischen Ausschuss beschlossen werden und läuft nach demselben Schema wie die gewöhnliche Begutachtung ab. Sie findet jedoch nicht im vorparlamentarischen, sondern im parlamentarischen Prozess statt und kann auch für selbstständige Anträge (z.B. Initiativanträge) angewendet werden.

Konsultationsmechanismus

Im Gegensatz zur nicht verpflichtenden öffentlichen Begutachtung ist der Konsultationsmechanismus gesetzlich festgelegt. Dieser soll die Koordination zwischen Finanzausgleichspartnern bei der Gesetzesvorbereitung verbessern. Dabei haben die Bundesministerien den Ämtern der Landesregierungen, dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund Gesetzesentwürfe zu übermitteln. Diese können wiederum in einem Konsultationsgremium innerhalb einer gewissen Frist ein Verlangen auf Verhandlungen stellen, würden dem Antragsteller durch den Entwurf finanzielle Mehrausgaben drohen.

Empfehlungen

Die Begutachtung bietet Bürgerinnen, Bürgern und Grundrechtsorganisationen die Möglichkeit, vorab ihre Kritik zu einem Gesetzesvorhaben kund zu machen. Oftmals findet jedoch keine Begutachtung statt, insbesondere werden Initiativanträge der Regierungsparteien genutzt, um die öffentliche Begutachtung und den Konsultationsmechanismus zu umgehen. Daher wird empfohlen, die öffentliche Begutachtung für alle Regierungsvorlagen und die Ausschussbegutachtung für alle weiteren Gesetzesvorlagen verpflichtend einzuführen.

Des weiteren deckt der verpflichtende Konsultationsmechanismus nur finanzielle Bedenken ab, daher empfehlen wir, dass auch auf Grund von Grundrechtsbedenken zu Gesetzesentwürfen Verhandlungen im Konsultationsgremium verlangt werden können. Das Recht auf Verlangen von Verhandlungen auf Grund von Grundrechtsbedenken sollte zudem ebenfalls der Volksanwaltschaft zukommen.

Empfohlen wird auch, dass stellungnehmende Personen und Organisationen regelmäßig in Ausschüssen zur mündlichen Anhörung geladen werden. Hierzu könnte man in der Geschäftsordnung des Nationalrates eine verpflichtende Quote einführen.

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