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Paper Published – Der Fall Facebook (Update I)
Deutsches Bundeskartellamt schließt Facebook-Verfahren (07.08.2019)
Förderjahr 2018 / Stipendien Call #13 / ProjektID: 3227 / Projekt: Datenmissbrauch im Kartellrecht

Konditionenmissbrauch wegen unangemessener Datenverarbeitung

In der Juli-Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift European Competition Law Review habe ich mich mit der langerwateten Facebook-Entscheidung des deutschen Bundeskartellamts (BKartA) auseinandergesetzt (abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Entscheidungen/Missbrauchsaufsicht/2019/B6-22-16.pdf?__blob=publicationFile&v=8). Die deutschen Wettbewerbshüter haben Facebook weitreichende Beschränkungen bei der Datenverarbeitung auferlegt. Künftig darf das soziale Netzwerk Daten, die außerhalb der Facebook-Seite über den Nutzer gesammelt werden (sog. „off-Facebook“ Daten), nur dann mit dem jeweiligen Facebook-Profil verknüpfen, wenn eine ausdrückliche Zustimmung des Nutzers vorliegt. Liegt keine gültige Zustimmung des Nutzers vor, muss Facebook auf eine Zusammenführung der Daten verzichten; gleichzeitig darf Facebook den Nutzer nicht von seinen Diensten ausschließen.

In Deutschland wird Facebook täglich von rund 23 Millionen Menschen genutzt, was einem Marktanteil von mehr als 90% entspricht. Auf dieser Basis geht das BKartA davon aus, dass Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke marktbeherrschend ist. Unternehmen in marktbeherrschender Stellung verfügen über einen Verhaltensspielraum, der vom Wettbewerb nicht kontrolliert wird. Aus diesem Grund werden sie unter kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht gestellt; sie dürfen ihre Marktmacht daher nicht zulasten ihrer Wettbewerber oder Abnehmer (hier gegenüber den Facebook-Nutzern) missbrauchen. Das BKartA bewertet allerdings den Umfang, in dem Facebook Daten ohne explizite Zustimmung der Nutzer sammelt, den Nutzerkonten zuordnet und verwertet als missbräuchlich. Das BKartA geht demnach von der Unangemessenheit der Datenverarbeitungskonditionen aus, weshalb der Fall als sog Konditionenmissbrauch geführt wird. Ein Preishöhenmissbrauch liege hingegen nicht vor, weil Daten im konkreten Zusammenhang nicht mit Geldpreisen vergleichbar seien. Aus Nutzerperspektive werde Facebook oft als „kostenloses“ Service wahrgenommen. Zudem hätten Daten – im Gegensatz zu Geldpreisen – keinen nominellen Wert, anhand dessen ein unmittelbarer finanzieller Schaden gemessen werden könne. Der Schaden für den Nutzer liege vielmehr im Kontrollverlust über seine Daten, weil dieser über letztere nicht mehr selbstbestimmt verfügen könne.

Das BKartA kommt zu dem Schluss, dass Facebook über keine wirksame Rechtfertigung verfügt, off-Facebook Daten mit den Facebook-Nutzerkonten zu verknüpfen: (i) Die Funktionen des sozialen Netzwerks könnten auch ohne off-Facebook Daten angeboten werden. (ii) Das Interesse der Nutzer auf Wahrung ihrer Privatsphäre bzw deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiege die wirtschaftlichen Interessen von Facebook. (iii) Schließlich liege auch keine wirksame Einwilligung der Nutzer zur Verarbeitung der Daten im beschriebenen Ausmaß vor. Eine solche liege nämlich nur dann vor, wenn die Einwilligung keine Voraussetzung zur Nutzung des Dienstes ist. Facebook konfrontiert seine Nutzer allerdings mit einem take-it-or-leave-it Angebot: Entweder die Nutzer willigen in die Datenverarbeitung ein oder ihnen bleibt der Zugang zum sozialen Netzwerkverwehrt verwehrt. Aus diesem Grund liegt keine freiwillige Einwilligung vor.

Künftig darf Facebook die Datenverarbeitung nicht ohne wirksame Zustimmung des Nutzers durchführen und den Nutzer bei Verweigerung der Zustimmung nicht von der Nutzung des sozialen Netzwerkes ausschließen. Darüber hinaus muss Facebook seine Nutzungsbedingungen transparenter gestalten. Facebook hat nun 12 Monate Zeit, seine Nutzungsbedingungen entsprechend anzupassen. In der Zwischenzeit hat das soziale Netzwerk bereits Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt, bei dem das Verfahren nun anhängig ist. Abzuwarten bleibt, inwiefern die Entscheidung des BKartA auch in zweiter Instanz Bestand haben wird.

 

Tags:

Facebook Kartellrecht Konditionenmissbrauch Bundeskartellamt Big Data

Arno Scharf

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(EU) Competition Law
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