Raus aus der Blase!
Herausforderungen beim qualitativen Interviewen (15.02.2018)
Förderjahr 2017 / Stipendien Call #12 / ProjektID: 2422 / Projekt: Repräsentationen des digitalen Spielens

Ein Kerngedanke qualitativer Sozialforschung ist es, tiefer in das Feld einzutauchen. Mit klar strukturierten, quantitativ angelegten Fragebögen und eingeschränkten Antwortmöglichkeiten lassen sich Phänomene statistisch erfassen und Ergebnisse können direkt miteinander verglichen werden. Aber die gesammelten Daten werden sich selbstverständlich nur auf jene Bereiche beziehen, zu denen konkret Fragen gestellt wurden. Die Erstellung des Fragebogens beschränkt also – basierend auf den Erwartungshaltungen der Forschenden – die Bandbreite möglicher Ergebnisse.

Mit qualitativen Interviews, die einen Grundpfeiler meiner Datensammlung bilden, versuche ich offener für Unerwartetes zu sein. Die Gespräche mit Spielerinnen und Spielern orientieren sich zwar an einem losen Netz von Fragen, die im Verlauf beantwortet werden sollen, ein starker Fokus liegt aber darauf, das Gespräch sich selbst entwickeln zu lassen. Hinter der Art und Weise, wie Interviewpartnerinnen und –partner von einem Thema zum nächsten gelangen, was sie miteinander in Verbindung setzen und welche Aspekte sie ansprechen, ohne danach gefragt zu werden, verbergen sich wichtige Einblicke. Und auch das Nicht-Gesagte verrät viel über Sichtweisen und Wertigkeiten. So wird beispielsweise gern und viel über Freundeskreise gesprochen, in denen gemeinsam gespielt wurde, der oft recht offensichtliche Einfluss von Beziehungen auf die zur Verfügung stehende Zeit und die Art der gespielten Spiele wird aber nur selten direkt angesprochen.

Ein Interview offen zu führen und sich möglichst wenig von den eigenen Erwartungen leiten zu lassen, ist aber schwieriger als man meinen könnte. Beim Transkribieren der Tonaufnahmen fällt immer wieder auf, wie kleine Zwischenfragen oder auch nur verwendete Begriffe Antworten und Gespräche beeinflussen können. Auf Fragen nach der Meinung der Eltern zu den gespielten Spielen reagierten Jugendliche beispielsweise mehrfach ausweichend und beschwichtigend. Erst in einem späteren Interview wurde erwähnt, dass häufig die Lehrerinnen und Lehrer die schärfste Kritik an digitalen Spielen üben – ein Umstand, der aufgrund meiner Erwartungshaltungen nicht früher in den Interviews erwähnt wurde.

Ein wichtiger Schritt der verwendeten empirischen Methode ist es, die Einflüsse meiner Person auf die Forschung ebenfalls in die Analyse mit einzubeziehen. Was für manche einen Mangel an objektiver Vergleichbarkeit darstellt, ist für die qualitativen Sozialwissenschaften eine für die Analyse wertvolle Tatsache: Interviews wären nicht gleich abgelaufen, wenn sie eine andere Person geführt hätte. Damit sind die gesammelten Daten nur im Kontext zu verstehen, in dem sie entstanden sind. Und ein Teil dieses Kontexts bin ich als Forscher.

Harald Koberg

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Harald Koberg ist Doktorand am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Karl-Franzens-Universität Graz und leitet den Bereich für digitale Spiele bei Ludovico, einem Verein zur Förderung des Spielens, der Spielkultur und der Spielpädagogik.
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