"Look, a Gamer Girl!"
Über Gaming als Burschendomäne (06.08.2019)
Förderjahr 2018 / Stipendien Call #13 / ProjektID: 3550 / Projekt: "Game Over?"

Wenn ich in Schulklassen im Rahmen von Workshops die Frage stelle, wer gerne Computerspiele spiele, gehen meist die Hände von männlichen Teilnehmenden nach oben.

Die weiblichen Teilnehmenden zeigen sich oft am Beginn weniger interessiert und geben auch an, keine Computerspiele zu spielen. Im Laufe des Workshops wird meist klar, dass auch sie gerne Spiele spielen – aber ganz andere Spiele als ihre männlichen Mitschüler. Diese Erfahrung zeigt zum einen, dass es kein homogenes Verständnis dafür gibt, was ein Computerspiel ist und was nicht. In der beschriebenen Situation werteten die weiblichen Teilnehmenden Spiele auf dem Smartphone nämlich nicht als Computerspiele. Zum anderen wirft sie Fragen auf: Welche Umstände führen dazu, dass sich männliche Jugendliche eher als Gamer bezeichnen als weibliche und warum gibt es kaum weibliche Spielerinnen in actionlastigeren Spielen, z.B. Ego Shootern (vgl. OÖ Jugendmedienstudie 2018)?

Um dies hinreichend zu erklären, müsste auf verschiedenste gesellschaftliche Wertvorstellungen und Problemfelder eingegangen werden. In gebotener Kürze soll hier nur auf eine mögliche Ursache hingewiesen werden, die sich besonders problematisch gestaltet: den Umgang mit weiblichen Spielenden in der Gamingcommunity.

Im Juni dieses Jahres besiegt die 15-jährige Spielerin "Bocchi" den etablierteren Profi "Ally" bei einem kleineren Turnier im Spiel "Super Smash Bros." Sie wird durch diesen Überraschungssieg einer größeren Community bekannt. Doch anstatt ihren Durchbruch zu feiern, twittert sie kurze Zeit danach, sie ziehe sich vom Spiel vorerst zurück. Grund dafür dürften massive Anfeindungen gewesen sein, denen sie seitens Community ausgesetzt war (DerStandard 2019).

Der Umgangston in vielen digitalen Spielen ist an sich schon von sehr viel "trash talk" geprägt. So geben etwa 75 Prozent der Spielenden des beliebten Titels „League of Legends“ an, im Laufe eines Spiels bedrängt, beleidigt oder schikaniert worden zu sein. 38 Prozent der weiblichen Spielenden gaben an, aufgrund ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Orientierung Beleidigungen ausgesetzt gewesen zu sein (ADL 2019).

Auch das beliebte „Fortnite“, das vor allem von jüngeren Spielenden sehr gerne gespielt wird, ist dabei von übergriffigem Verhalten von auch sehr jungen Spielenden geprägt, wie dieser Spielauszug der Youtuberin „Pokimane“ zeigt. Sogar die kürzlich ausgetragene „Fortnite“ Weltmeisterschaft, bei der Preisgelder in der Höhe von 30 Millionen Dollar vergeben wurden, kam bei 100 qualifizierten Spielern ganz ohne weibliche Teilnehmende aus – und das, obwohl laut Hersteller Epic Games ca. 35 Prozent der Spielenden weiblich seien.

Viele weibliche Spielende empfinden die Erfahrungen sexueller Abwertung, mit denen sie in vielen actionlastigen Spielen immer wieder konfrontiert sind als massiv negativ, stresserhöhend und isolierend, was somit der Grundidee eines Spiels als angenehmer und stressreduzierender Beschäftigung widerspricht. Die Bewältigungsstrategien, die dabei zur Anwendung kommen sind recht begrenzt:  die Abänderung des SpielerInnennamens auf einen neutralen Begriff sowie die Vermeidung von In-game Chat und die Vermeidung von Kommunikation mit anderen Spielenden insgesamt sind eher eine als Resignation vor einer uneinsichtigen Community als das Finden einer zufriedenstellenden Lösung zu werten( vgl. McLean/ Griffiths, 2018).

Die Tatsache, dass Shooterspiele stark männlich dominiert sind könnte somit nicht nur über gesellschaftliche Sozialisation sondern auch über spielimmanente Faktoren wie den Umgang mit weiblichen Spielenden in der Community erklärt werden. Sie könnte auch als Resultat einer erfolgreichen Diskriminierung weiblicher Spielender erklärt werden, die weder der Wertehaltung einer breiten Gesellschaft noch der Wertehaltung der Herstellerfirmen entspricht.

Dass Frauen aus bestimmten gesellschaftlichen Sphären gedrängt werden, in diesem Fall aus der Sphäre digitaler Spiele, als ein gesamtgesellschaftliches Problem darzustellen mag zwar seine Berechtigung haben. Sich auf dieser Erkenntnis auszuruhen und auf eine top-down Lösung von Seiten der Politik warten, wäre aber realitätsfremd. Genauso wenig reicht es,  wenn Spielehersteller eine Hauptfigur in einem Spiel weiblich gestalten und glauben, damit auch eine weibliche Zielgruppe anzusprechen und einen Beitrag zur Gleichberechtigung zu leisten. Erfolgsversprechender wäre es, die Gamingindustrie in die Pflicht zu nehmen und auf lokaler und globaler Ebene e-sport Vereine zu einem bewussteren Umgang mit der Thematik zu bewegen. Im Einzelnen würde dies bedeuten, auch aktiv zu werden, wenn ich Zeuge von Sexismus in einem Onlinespiel werde, sei es in Form von Counterspeech oder in Form einer Meldung betreffender Spielender an die Herstellerfirma.

Digitale Spiele und der damit verbundene e-sport stellen als relativ neue Beschäftigungsfelder eine Möglichkeit dar, mit Stereotypen zu brechen. Es wäre schade, wenn sich gesellschaftliche Rollenbilder von klassischen Sportarten (oder können Sie mir 3 professionelle Fußballerinnen aufzählen?) und die damit verbundenen wirtschaftlichen Aspekte im professionellen Sport im Feld der digitalen Spiele reproduzieren.

 

Quellen:

ADL (2019): Free to Play? Hate, Harassment, and Positive Social Experiences in Online Games. Online unter https://www.adl.org/free-to-play (06.08.2019)

DerStandard (2019): 15-jährige "Smash"-Spielerin wird nach Überraschungssieg aus E-Sports-Szene gemobbt. Online unter https://www.derstandard.at/story/2000106051239/15-jaehrige-besiegt-ueberraschend-smash-profi-und-zieht-sich-wegen (06.08.2019)

JIM Studie (2018). Online unter https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2018/ (27.07.2019)

McLean, L./ Griffiths, M. (2018): Female Gamers´Experience of Online Harrassment and Social Support in Online Gaming: A Qualitative Study. International Journal of Mental Health and Addiction doi: https://doi.org/10.1007/s11469-018-9962-0 (27.07.2019)

OÖ Jugendmedienstudie (2019): Online unter https://www.edugroup.at/innovation/forschung/jugend-medien-studie/detail/6-ooe-jugend-medien-studie-2019.html (27.07.2019)

 

 

 

 

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