Über notwendige Veränderungen
Wie manchmal auch sehr gute Ideen an ihrer Realisierbarkeit scheitern (31.03.2019)
Förderjahr 2018 / Stipendien Call #13 / ProjektID: 3550 / Projekt: "Game Over?"

Einer der wichtigsten Aspekte, die Spiele generell - und Computerspiele im Besonderen - ausmachen, ist die Möglichkeit zu scheitern, ohne realweltliche Konsequenzen dafür tragen zu müssen.

So bleiben SpielerInnen motiviert, neue Strategien auszuprobieren, da die Verluste bei Misslingen dieser meist sehr überschaubar sind – wenn ein Gegner mit einer bestimmten Taktik nicht zu besiegen ist, starte ich eben erneut und versuche eine andere. Als begeisterten Gamer haben diese Erfahrungen dazu beigetragen, mir einen spielerischen und lustvollen Zugang zu vielen Lebensbereichen zu bewahren. Ob sie meine Frustrationstoleranz gestärkt haben weiß ich nicht, aber momentan hält sich der Frust in Grenzen und die spielerische Freude überwiegt, auch wenn einige Umstände Änderungen in meinem Projekt notwendig machten.

Dies betrifft sowohl die Theorie als auch die Empirie meines Dissertationsprojektes.

In der Theorie habe ich mich wiederholt am Begriff der Sucht gestört (und habe diesen im Rahmen von facheinschlägigen Tagungen mit Kolleginnen aus der Forschung immer wieder kritisch diskutiert). Wie in einem anderen Beitrag erwähnt, betrifft das aktuelle Ausmaß der tatsächlich als pathologisch einzustufenden SpielerInnen nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung – qualifizierte ExpertInnen schätzen Prävalenzzahlen zwischen 1 und 3 Prozent (Puhm/Strizek 2016). Der Anteil der Menschen, die in ihrem familiären Alltag mit dem Medium große Herausforderungen erleben ist aber ungleich höher, wie ich auch aus meiner beruflichen Praxis berichten kann. Ein Leidensdruck ist nicht unbedingt an eine Diagnose gebunden, und auch wenn Personen ein Verhalten aufweisen, das sich nicht als pathologisch qualifiziert, kann das selbe Verhalten zu Leid führen – für Angehörige und in weiterer Folge oft auch für die Spielenden selbst. Um diese Phänomene auch sichtbar und erforschbar zu machen, ist es sinnvoll, sich vom sehr klinischen Begriff der Sucht zumindest in der Titelgebung zu verabschieden. Darum wird in weiterer Folge in meiner Arbeit von problematischem Computerspielverhalten die Rede sein, was die subjektive Problemwahrnehmung in den Vordergrund rückt und damit auch andere Verhaltensweisen wie beispielsweise das Ausgeben von großen Geldmengen in Spielen mit einbezieht.

Während dies eine einfache und logische Entscheidung war, stellt die Änderung der Empirie meine persönliche Frustrationstoleranz etwas mehr auf die Probe. Die Idee, in Form von videographierten Gruppendiskussionen Informationen aus den sozialen Interaktionen der TeilnehmerInnen zu generieren halte ich aufgrund der Erfahrungen, die ich in Workshops mit Eltern machte immer noch für sehr gut. In der Praxis scheiterte das Setting nun aber wiederholt an den organisatorischen Anforderungen. Wenn nämlich nur ein/e TeilnehmerIn sich gegen die videographische Aufzeichnung ausspricht, ist diese nicht möglich und eine Auswertung der Diskussion somit ebenso wenig. Nachdem dies nun wiederholt geschehen ist, wende ich mich zu meinem großen Missfallen vorerst von der Methode ab und konzentriere mich auf die dyadischen Interviews, die einen zweiten großen Teil meiner Empirie ausmachen, sowie auch die ExpertInneninterviews.

Das Projekt ist insofern in vollem Gange und kleinere Widerstände bedeuten glücklicherweise noch lange kein "Game Over".

 

Sollte jemand zum Thema Sucht bei digitalen Spielen nachlesen wollen: hier eine empfehlenswerte einigermaßen aktuelle Übersicht:

Puhm, A., Strizek, J. (2016). Problematische Nutzung von digitalen Spielen. Forschungsbericht. https://docplayer.org/46778826-Problematische-nutzung-von-digitalen-spielen.html (09.03.2019)

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