Förderjahr 2023 / Stipendien Call #18 / ProjektID: 6727 / Projekt: Gutes Wohnen in Smart Homes.
Das Forschungsfeld der Gerontologie dessen wissenschaftlichen Papers seit den 70er Jahren zunehmen und sich überwiegend aus den Disziplinen der Medizin (Geriatrie), Psychologie und Soziologie speisen nehmen an Relevanz zu.
Aus diesem Forschungsfeld lässt sich ein aktuelles wissenschaftliches Altersbild herauskristallisieren. Altersbilder sind Teil eines Menschenbildes und bestehen aus einem Bündel an Annahmen und Überzeugungen über den Menschen im Allgemeinen. Sie sind fest verankert in unserem Sinn- und Überzeugungshorizont über den wir unsere Welt wahrnehmen. Sie sind vergleichbar mit einer festsitzenden Brille, der wir selbst nicht gewahr sind und durch die wir die Welt erfahren. Die lebensweltlichen Alters- und Menschenbilder erfüllen die Funktion einer Welterschließung, einer Komplexitätsreduktion und helfen bei der Orientierung. Sie enthalten beispielweise die Annahme, dass der Mensch vom Affen abstammt und das der menschliche Körper im Alter abbaut, das alte Menschen griesgrämig oder weise sind und dass älteren Menschen ein Sitzplatz im Bus angeboten werden sollte. Die Annahmen und Überzeugungen des Altersbildes sind deskriptiv oder normativ. Sie stehen untereinander in Beziehung und können sich zum Teil widersprechen müssen jedoch ein Mindestmaß an Widerspruchsfreiheit aufweisen.
Im Kontext des Wohnens im Alter in Smart Homes treffen zwei Menschenbilder aufeinander: 1. Das kulturell vorherrschende Menschen- bzw. Altersbild und 2. Das Menschenbild der Digitalisierung.
Im aktuellen Zeitalter der Digitalisierung wird ein Diskurs über die Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für die menschliche Existenz aufgegriffen. Vertreter der transhumanistischen Strömungen sehen die Evolution des Menschen vom Homo sapiens zum Homo Digitalis gegeben. Motiviert von der Annahme, dass der Mensch ein Mängelwesen (Gehlen A., 2014) sei in dessen Natur es läge durch Technik zu überleben, wird der Faden weiter gesponnen zur menschlichen Selbstüberwindung durch Technik.
Der Mensch soll mithilfe von Technik optimiert und transformiert werden, sodass alle Mängel beseitigt sind. Im Modell des homo Digitalis, dass als erstrebenswertes Idealbild fungiert, wird der Mensch auf ein computerähnliches Wesen reduziert. Der Mensch ist dabei ein algorithmisch strukturierter Organismus mit Sensoren und Informationsverarbeitung – ein intelligent agent. (Harari Y., 2018; Grunewald A.,2024; Poole D./Mackworth A./Goebel R. 1998; u.a.)
Dem gegenüber steht ein Menschen- und Altersbild, indem der Mensch als freies, selbstbestimmtes, mit Verstand und Gewissen ausgestattetes Wesen verstanden wird; dessen Würde von der Geburt bis zum Tod unantastbar sein soll (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 1 und 2).
Einige Hardliner des Transhumanismus würden in Bezug auf das Alter sogar behaupten, dass mit der zunehmenden Verschmelzung von Mensch, Maschine und intelligenten Umgebungen der Körper und damit die Beschwerden des Alters hinfällig sind, da sie mit Hilfe der Technik leicht ersetzt werden können. Es wird also eine Strategie der Altersbeseitigung angestrebt (vgl. Mooren N., 2023). Die Auseinandersetzung mit dem Alter(n) würde mit dem Erreichen des homo Digitalis obsolet.
Das Wohnen im Alter in Smart Homes erfordert einen gewissen grad an Verschmelzung mit Mensch, Maschine und intelligenter Umgebung. Es stellt sich nun unabhängig von ethischen Überlegungen die Frage, wie allein aufgrund eines Altersbildes, indem der Mensch als sozial eingebundenes, freies, selbstbestimmtes Wesen in Würde altern soll mit einem Menschenbild des homo Digitalis vereinbart werden kann; dass lt. Rapp F. (1978) durch die determinierte Eigendynamik des technischen Fortschrittes unaufhaltsam ist.
Theres-Antonia Bock
Derzeit konzentriere ich mich auf meine Dissertation im Bereich Digitalisierung des Wohnens.
Als Innenarchitektin durfte ich in den letzten Jahren miterleben, wie die Digitalisierung immer mehr in den Standard Wohnbau Einzug hält. Smart Buildings und Smart Homes ermöglichen eine effizienteres Facility-Management. Aus ökonomischer Perspektive macht es daher Sinn diese Technik voranzutreiben. Wie sieht es allerdings mit anderen Bereichen aus, die diese Technik ebenfalls beeinfluss? Mit dem Einzug der smarten Technologien in den Pflegebereich und damit in das assistive Wohnen stellen sich grundlegende ethische Fragen. Im Zuge meines Philosophiestudiums und späteren Forschung beschäftigte ich mich immer mehr mit dem Zusammenhang zwischen Technik- Mensch und dem Wohnen und stellte mir immer mehr die Frage, wie die Digitalisierung des Wohnens unser Verständnis vom Wohnen verändern wird.
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn wir in Zukunft mit unserem Wohnraum kommunizieren?
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn unser Wohnraum eine auf uns zugeschnittenes Wohnklima schafft?
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn uns unser Wohnraum vollautomatisch alle unsere Bedürfnisse stillt?
Wie würde uns das als Menschen verändern? Wären wir noch in der Lage selbst Entscheidungen zu treffen? Wären wir noch in der Lage selbst zu wissen, was uns gut tut? Wären wir noch in der Lage für uns Verantwortung zu übernehmen?