Intelligent Environments
Multidimensionalität des Wohnens
Einstieg ins Dritte Kapitel „Themenfeld Wohnen“ (21.02.2024)
Förderjahr 2023 / Stipendien Call #18 / ProjektID: 6727 / Projekt: Gutes Wohnen in Smart Homes.

Ausgangsproblem:

Die voranschreitende Digitalisierung des Wohnens wird das Verständnis des Wohnens verändern, ähnlich wie die Einführung des Fernsehens in den 1950er Fernsehzimmer und -möbel hervorbrachte. Das Wohnverhalten und das Verständnis vom Wohnen wurden dadurch maßgeblich verändert. An dieser Schwelle stehen wir erneut.  Die Verschmelzung von Maschinen und intelligenten Systemen mit dem Wohnraum erweitern zum einen menschliche Handlungsmöglichkeiten zum anderen wird der Wohnraum zu einem intelligenten Akteur der sich dem/der BewohnerIn gegenüberstellt oder einverleibt. Dies wirft Fragen hinsichtlich der Anthropologie, der Ethik und der Epistemologie innerhalb des Wohnkontextes auf.

Ausgangsthese:

Wir kennen die aktuelle Bedeutung des Wohnens nur partiell, es fehlt eine Gesamtbetrachtung des Phänomens Wohnen.

Multidimensionalität des Wohnens

Damit entschieden werden kann welche Bedeutung das Wohnen hat muss zuerst herausgefunden werden, was das Wohnen überhaupt ist. Hierzu gibt es einige Literatur aus diversen theoretischen und praktischen Disziplinen. Bei der Sichtung der Literatur war auffällig, dass die Abhandlungen das Wohnen sehr spezifisch aus der jeweiligen Fachrichtung betrachteten. Die Ergebnisse werden jedoch nur wenig bis kaum in Kontext zueinander gesetzt. Es gibt hier klare Trennungen zwischen den empirischen und geisteswissenschaftlichen Disziplinen und eine nahezu unüberbrückbare zur ausführenden Architektur. Diese Spaltung zwischen Theorie und Praxis begegnete auch Martin Heidegger in den 1951 im Rahmen der Darmstädter Gespräche. Sein Vortrag Bauen. Wohnen. Denken., der nichts an Aktualität verloren hat, wurde von den anwesenden Architekten nahezu ignoriert. Dabei hatte Heidegger mit seiner Antwort auf die Frage „Was ist Wohnen?“ eine folgenschwere These aufgestellt. Er begründet eine Ontologie des Wohnens, in dem er postulierte, „Wir wohnen nicht, weil wir gebaut haben, sondern wir bauen und haben gebaut, insofern wir wohnen, d. h. als die Wohnenden sind.“[1] denn die Art und Weise wie der Mensch In-der-Welt-ist, ist das Wohnen. Mit dieser trivial anmutenden Aussage erklärt er, dass wir erst wirklich gute Architektur hervorbringen können, wenn wir gelernt haben, was Wohnen eigentlich bedeutet und es vermögen.[2]

Allein anhand der Tatsache, dass eine Ontologie des Wohnens, theoretische und empirische Untersuchungen sowie praktische Erfahrungen über das Wohnen vorliegen, aber scheinbar von Differentem reden, liegt die Vermutung nahe, dass hier verschiedene Dimensionen ein und desselben Phänomens beschrieben werden. Ändern wir hingegen für die Betrachtung des Phänomens Wohnen die Methode und wenden uns der Phänomenologie zu, so verhärtet sich der Verdacht, dass über die bisher angewandten empirisch-analytische Methoden das Wohnen in seiner Ganzheit nur schwer zu erfassen ist.  Das Wohnen stellt vermutlich ein multidimensionales Phänomen dar, welches über einen phänomenologischen Ansatz ganzheitlicher untersucht werden könnte.

Für das Kapitel Wohnen soll diese Multidimensionalität des Wohnens herausgearbeitet werden. Über einen phänomenologischen Ansatz soll sich die aktuelle Bedeutung des Wohnens erschließen lassen und in den Kontext der Digitalisierung gesetzt werden.

 

 

[1] Heidegger, Martin, Bauen. Wohnen. Denken, in: Heidegger, M. (Hg.), Vorträge und Aufsätze. Teil 2, Pfullingen 1967, 19–36, 22.

[2] Vgl. Ebd., 35.

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Smart Home Wohnen Digitalisierung Wohnen im Alter multidimensionales Wohnen Heidegger Martin Intelligent Environments

Theres-Antonia Bock

Profile picture for user Theresa-Antonia Bock
Mein Tätigkeitsfeld erstreckt sich von der klassischen Innenarchitektur bis hin zur Architekturphilosophie.
Derzeit konzentriere ich mich auf meine Dissertation im Bereich Digitalisierung des Wohnens.

Als Innenarchitektin durfte ich in den letzten Jahren miterleben, wie die Digitalisierung immer mehr in den Standard Wohnbau Einzug hält. Smart Buildings und Smart Homes ermöglichen eine effizienteres Facility-Management. Aus ökonomischer Perspektive macht es daher Sinn diese Technik voranzutreiben. Wie sieht es allerdings mit anderen Bereichen aus, die diese Technik ebenfalls beeinfluss? Mit dem Einzug der smarten Technologien in den Pflegebereich und damit in das assistive Wohnen stellen sich grundlegende ethische Fragen. Im Zuge meines Philosophiestudiums und späteren Forschung beschäftigte ich mich immer mehr mit dem Zusammenhang zwischen Technik- Mensch und dem Wohnen und stellte mir immer mehr die Frage, wie die Digitalisierung des Wohnens unser Verständnis vom Wohnen verändern wird.
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn wir in Zukunft mit unserem Wohnraum kommunizieren?
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn unser Wohnraum eine auf uns zugeschnittenes Wohnklima schafft?
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn uns unser Wohnraum vollautomatisch alle unsere Bedürfnisse stillt?
Wie würde uns das als Menschen verändern? Wären wir noch in der Lage selbst Entscheidungen zu treffen? Wären wir noch in der Lage selbst zu wissen, was uns gut tut? Wären wir noch in der Lage für uns Verantwortung zu übernehmen?
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