Förderjahr 2021 / Stipendien Call #16 / ProjektID: 5693 / Projekt: Kryptowerte in der Insolvenz
Im letzten Blog-Beitrag (#6) wurde klargestellt, dass virtuelle Werteinheiten grundsätzlich den unkörperlichen Sachen gemäß § 292 ABGB zuzurechnen sind. Nunmehr stellt sich die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn die virtuellen Werteinheiten mittels einer physischen Wallet (wie einem Papier-Ausdruck oder einem USB-Stick) aufbewahrt werden.
Historische Diskussion
Einen vergleichbaren Diskurs gab es bereits vor virtuellen Werteinheiten zur Verkörperung von Software: Diese wurde von der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur dann als körperliche Sache gemäß § 292 ABGB angesehen, wenn sie unlösbar und dauerhaft auf einem körperlichen Datenträger gespeichert wurde (wie zB bei einer gebrannten CD). Diesfalls wurde von jener Ansicht angenommen, dass die Software einen dauerhaften Bestandteil des Datenträgers darstellt, weswegen diese als körperlich zu qualifizieren sei.
Dauerhafte Verbindung zwischen virtuellen Werteinheiten und physischen Wallets?
Sofern jene Ansicht zu Software vertreten wird, stellt sich die Frage, ob auch virtuelle Werteinheiten eine vergleichbare Verbindung zu einem körperlichen Datenträger eingehen können und aus diesem Grund als körperlich anzusehen sind. Diesfalls müsste eine Verbindung zwischen körperlichem Datenträger und virtuellen Werteinheiten eingegangen werden, die dazu führt, dass der Rechtsverkehr jene Bestandteile als einheitliche Sache ansehen würde. Hiervon geht ein Teil der Literatur auch ausdrücklich aus: So sprechen sich unter anderem Völkel (ÖBA 2017, 385 [388]), A. Stadler/Pfeil (VbR 2018, 101 [101]), Schroeder (JurPC 2014/104, 1 [Rz 28]), Forgó (in Forgó/Zöchling-Jud 285 [336]) und Aquilina/A. Stadler (in Eberwein/A.-Z. Steiner 97 [99]) für die Körperlichkeit virtueller Werteinheiten aus, wenn diese durch eine körperliche Sache verkörpert werden.
Dieser Ansicht ist entschieden zu widersprechen. Bei virtuellen Werteinheiten wie Bitcoin kommt es auch im Fall der Nutzung einer physischen Wallet nicht zu einer untrennbaren Verbindung und damit auch zu keiner Verkörperung der Werteinheiten durch einen physischen Datenträger. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in der Wallet bloß privater und öffentlicher Schlüssel (s hierzu Blog-Beitrag #3) und nicht die virtuellen Werteinheiten selbst gespeichert sind. Der öffentlichen Adresse werden bloß die virtuellen Werteinheiten in der Form einer Verfügungsberechtigung (sogenannter UTXO) zugerechnet. Die virtuellen Werteinheiten befinden sich jedoch zu jeder Zeit nicht in der Wallet, sondern sind vielmehr in der Blockchain gespeichert. Eine Verfügung über virtuelle Werteinheiten ist weiterhin ohne Rückgriff auf den körperlichen Datenträger im Fall einer physischen Wallet möglich, weil darin nur eine Kopie des Schlüsselpaars gespeichert ist. Dies hat keine Auswirkungen auf die sachenrechtliche Qualifizierung von virtuellen Werteinheiten, weswegen Kryptowerte auch bei Nutzung einer physischen Wallet als unkörperlich zu betrachten sind.
Dr. Tobias Weidinger
Seine Forschungsgebiete umfassen insbesondere Insolvenzrecht, Zivilverfahrensrecht, Privatrecht, Legal Tech und IT-Recht. Dr. Weidinger arbeitete zuvor bereits als Rechtshörer am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Graz, als Legal Intern bei zwei renommierten Kanzleien und war mehrere Jahre als freier Werbetexter tätig. Er war Lektor und Mitherausgeber des Law@Graz-Magazins, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Fakultätsvertretung Jus und einige Jahre als Referent für Schulsport im Vorstand des Steirischen Badminton Verbandes (StBV) tätig.
Nunmehr ist Dr. Weidinger als Wirtschaftsjurist in der Privatwirtschaft tätig.