Intelligent Environments
Digitalisierung des Wohnens
Wenn der Wohnraum zum "Freund" werden muss. (17.02.2025)
Förderjahr 2023 / Stipendien Call #18 / ProjektID: 6727 / Projekt: Gutes Wohnen in Smart Homes.

Entwicklung von Smart Homes und deren Tendenzen Die Entwicklung von Smart Homes reicht vom 16. Jahrhundert bis zur modernen Zeit. Die Grundidee entstand aus dem Wunsch nach Arbeitsentlastung im Haushalt und entwickelte sich später zu einem Fokus auf Komfortmaximierung und Effizienzsteigerung. Die Einführung von Elektrizität, Haushaltsgeräten sowie Computern und Netzwerktechnologien spielte dabei eine zentrale Rolle.

Die zunehmende Verschmelzung von technischen Artefakten mit dem Wohnraum macht es mittlerweile unmögliche die Beziehung zwischen Mensch und wohnraumbezogener Technik separiert zu betrachten.  Vor allem im Kontext von ‚ambient assited living (AAL) verschwimmen die Grenzen zwischen Mensch, Raum und Technik noch stärker.  Autoren wie Klaus Wiegerling, Christoph Hubig, Birgit Schneider und Luciano Floridi sprechen in Zusammenhang mit Ubiquitären Systemen von Meso-, Info- und Technosphären, die in Verbindung mit allgegenwärtigen Systemen entstehen.[3, 2, 4, 1] Diese Sphären sind als „Zwischenraum“ zu verstehen, indem sich die analoge Welt des Bewohners mit der digitalen Welt der Umgebungsintelligenz überschneidet.

Der digitale Wohnraum Der digitale Wohnraum unterscheidet sich von der physischen Realität, da er aus Parametern wie Pixeln, Klicks und Sensordaten besteht. Phänomene, die nicht in digitale Daten umgewandelt werden können, existieren in diesem Raum nicht. Der digitale Wohnraum ist eine abstrahierte und reduzierte Version der Wirklichkeit, die sich in Smart Homes als mittlere digitale Sphäre (Mesosphäre) manifestiert. Mithilfe von KI und maschinellem Lernen werden Datenprofile der Bewohner erstellt, um Muster zu erkennen und als „Normalverhalten“ zu speichern. Diese Profile dienen dazu, Szenarien wie „well-being“ zu schaffen, indem ein optimales Raumklima und eine schützende Umgebung hergestellt werden. Sensoren überwachen kontinuierlich den Gesundheitszustand der Bewohner und andere Parameter wie Raumtemperatur, Luftqualität, Geräusche und Lichtverhältnisse. Der digitale Wohnraum ist ein sich selbst abgleichendes Modell, das über die Technosphäre den analogen Wohnraum aktiv mitgestaltet. Intelligente Umgebungen wie AAL (Ambient Assisted Living) unterstützen die Bewohner im Alltag und reagieren auf Abweichungen. Die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine verschiebt sich dabei in den „unsichtbaren“ Hintergrund.

Ethische Konsequenzen der Verschmelzung von Mensch und Maschine Die Folgen dieser Schnittstellenverschiebung werden zwar bereits im ethischen Diskurs berücksichtigt m.E. nach jedoch zu eng diskutiert. Vor allem im Kontext des Wohnens im Alter wird übersehen, dass die Bewohner aufgrund ihrer zunehmenden Vulnerabilität auf soziale oder technische Unterstützung angewiesen sind. Damit ist notwendigerweise eine gewisse Entmündigung und Fremdsteuerung verbunden.[5] Wenn also weiterhin das Ziel angestrebt wird ein Wohnen in den eigenen vier Wänden bis ins hohe Alter zu gewährleisten, dann stellt sich aus ethischer perspektive weniger die Frage, ob Entmündigung und Fremdsteuerung zulässig sind. Sondern es erfordert ein Umdenken hinsichtlich der stattfindenden Verschmelzung von Menschen und technischer Assistenz und deren Bedeutung aus anthropologischer und ethischer Perspektive.

Was bedeutet es, wenn der Wohnraum über Implantat mit dem Bewohner verschmilzt? Wird dadurch der menschliche Leib erweitert oder wird der Mensch in einem technischen Wesen geborgen ähnlich einem Fötus im Mutterleib?

 

Literatur

[1]    Floridi L. Die 4. Revolution. Wie die Infosphäre unser Leben verändert. Berlin: Suhrkamp Verlag; 2015.

[2]    Wiegerling K. Ubiquitous Computing. In: Grunwald A., Hillerbrand R. Handbuch Technikethik, 2. Auflage, Stuttgart: J. B. Metzler'sche Verlagsbuchhandlung & Carl Ernst Poeschel GmbH; 2021, 419–424.

[3]    Hubig C., et al. Klugheitsethik/Provisorische Moral. In: Grunwald A., Hillerbrand R. Handbuch Technikethik, 2. Auflage, Stuttgart: J. B. Metzler'sche Verlagsbuchhandlung & Carl Ernst Poeschel GmbH; 2021, 155–159.

[4]    Schneider B. Mensch-Maschine-Schnittstellen in Technosphäre und Anthropozän. In: Liggieri K., Müller O. Mensch-Maschine-Interaktion. Handbuch zu Geschichte – Kultur – Ethik, 1. Auflage, Stuttgart: J.B. Metzler; Imprint: J.B. Metzler; 2019, 95–105.

[5]    Wiegerling K. Mensch-Maschine-Schnittstelle. In: Grunwald A., Hillerbrand R. Handbuch Technikethik, 2. Auflage, Stuttgart: J. B. Metzler'sche Verlagsbuchhandlung & Carl Ernst Poeschel GmbH; 2021, 295–299.

 

 

 

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Digitalisierung Wohnen im Alter Smart Home Ethik

Theres-Antonia Bock

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Mein Tätigkeitsfeld erstreckt sich von der klassischen Innenarchitektur bis hin zur Architekturphilosophie.
Derzeit konzentriere ich mich auf meine Dissertation im Bereich Digitalisierung des Wohnens.

Als Innenarchitektin durfte ich in den letzten Jahren miterleben, wie die Digitalisierung immer mehr in den Standard Wohnbau Einzug hält. Smart Buildings und Smart Homes ermöglichen eine effizienteres Facility-Management. Aus ökonomischer Perspektive macht es daher Sinn diese Technik voranzutreiben. Wie sieht es allerdings mit anderen Bereichen aus, die diese Technik ebenfalls beeinfluss? Mit dem Einzug der smarten Technologien in den Pflegebereich und damit in das assistive Wohnen stellen sich grundlegende ethische Fragen. Im Zuge meines Philosophiestudiums und späteren Forschung beschäftigte ich mich immer mehr mit dem Zusammenhang zwischen Technik- Mensch und dem Wohnen und stellte mir immer mehr die Frage, wie die Digitalisierung des Wohnens unser Verständnis vom Wohnen verändern wird.
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn wir in Zukunft mit unserem Wohnraum kommunizieren?
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn unser Wohnraum eine auf uns zugeschnittenes Wohnklima schafft?
Wird es ein gutes Wohnen bzw. Leben sein, wenn uns unser Wohnraum vollautomatisch alle unsere Bedürfnisse stillt?
Wie würde uns das als Menschen verändern? Wären wir noch in der Lage selbst Entscheidungen zu treffen? Wären wir noch in der Lage selbst zu wissen, was uns gut tut? Wären wir noch in der Lage für uns Verantwortung zu übernehmen?
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