Zeit für Souveränität
Digitale Aufklärung statt Digitales Mittelalter (30.12.2017)
Förderjahr 2017 / Project Call #12 / ProjektID: 2186 / Projekt: SovereignID

SovereignID: Digitale Aufklärung statt Digitales Mittelalter

Wir leben in einer Zeit, in der vieles im Umbruch ist. Politisch, wirtschaftlich, und kulturell. Neue Strukturen entstehen, und damit neue Ideen über die Rolle des Menschen in der Gesellschaft und in der Welt.

In unseren heutigen digitalen Kommunikationstechnologien finden wir zentralistische Strukturen vor, die einem mittelalterlichen Feudalsystem ähnlich sind, in dem einige wenige mächtige Konzerne und Institutionen das (digitale) Leben von vielen beherrschen. Ein System, in dem unsere digitale Identität und Kommunikation nicht von uns selbst ausgehen, sondern von den Diensten verschiedener (teilweise uns unbekannter) Stellen abhängig sind, und von diesen jederzeit manipuliert bzw. vernichtet werden können. Kommerzielle Nutzung von persönlichen Daten ("das neue Öl") sowie unverhältnismäßige Massenüberwachung durch staatliche Stellen sind lediglich Symptome dafür, dass wir als Individuen nicht die Hoheit über unser digitales Leben ausüben können. Dieser Status Quo kann mit starken Metaphern beschrieben werden, z.B. als "digitale Sklaverei" oder als "Verletzung von digitalen Menschenrechten".

Cogito Ergo Sum
Cogito Ergo Sum

Als Gegenbewegung gibt es seit einigen Jahren einen immer stärker werdenden Trend, der zunächst als Dezentralisierung bezeichnet wurde und wird, und nun auch unter dem Begriff der individuellen "Souveränität" zusammengefasst werden kann. Der Grundgedanke besteht darin, dass digitale Identität und Kommunikation primär von uns selbst ausgehen sollen, und nur durch uns selbst erzeugt, verwendet, und auch wieder vernichtet werden können. Hier lassen wir uns von René Descartes inspirieren, der mit dem Satz "Ich denke, also bin ich" ein Menschenbild geschaffen hat, das emanzipiert, selbstbestimmt und aufgeklärt ist. Wir stehen nun in der digitalen Welt vor einer ähnlichen Entwicklung, nämlich einem Übergang aus einem digitalen Mittelalter in eine digitale Aufklärung.

Was bedeutet das technisch? Wie funktioniert digitale Identität, und was ist die Grundlage für digitale Souveränität? Wir ziehen folgende technische Konzepte in Betracht, die als Grundlage dienen können:

  • Generierung von Identität: Der technische Vorgang, der zur Erstellung einer digitalen Identität führt, besteht traditionell oft darin, in einer Datenbank einen Usernamen und ein Passwort abzuspeichern, durch die ein Individuum eine digitale Identität für sich abbilden kann. Als Gegenmodell dazu kann eine "souveräne" digitale Identität generiert werden, indem ein Individuum ein Passwort oder einen privaten Schlüssel selbst erzeugt, und einen Usernamen (oder eine andere Kennung) in einem dezentralen System wie einer Blockchain registriert. Zu diesem Zweck verwenden wir sog. DIDs ("Decentralized Identifier") und die Sovrin-Blockchain.
  • Identitätsmodell und Protokoll: Um digitale Identität aufzubauen und zu verwenden, benötigt man ein Datenmodell, sowie Protokolle zum Austausch von Identitätsdaten, bzw. zur Kommunikation mit anderen Individuen sowie Organisationen. Hier verwenden wir XDI ("eXtensible Data Interchange"), ein Graph-basiertes Datenmodell und Protokoll, das auf Konzepten des semantischen Web aufbaut.
  • Speichern von Identitätsdaten: Um Identitätsdaten selbstbestimmt zu speichern, verwenden wir die FreedomBox, einen bekannten Heim-Server, der als Open-Source von einer engagierten Community entwickelt wird. Wir integrieren die oben genannten Technologien Sovrin und XDI in die FreedomBox.

Durch die Kombination dieser Technologien macht "SovereignID" es möglich, digitale Identität selbstbestimmt zu generieren, und als Individuum unsere Identitätsdaten unabhängig zu speichern und zu verwenden. Dies ist die Grundlage für eine neue Art von Identität und Kommunikation in der digitalen Welt, die gleichzeitig auch gut zu einem Zeitgeist passt, der illegitime Autorität ablehnt und persönliche Freiheit schätzt.

Was sind die möglichen Folgen und Gefahren einer solchen Entwicklung zu mehr Souveränität? Es gibt Vorhersagen, dass die derzeit stattfindende digitale Revolution die Rolle von Nationalstaaten und anderen klassischen Institutionen massiv reduzieren wird, und stattdessen die Souveränität (und damit auch die Verantwortung) von Individuen auf ein nie dagewesenes Maß erhöhen wird. Doch was wie ein Traum für Libertäre und Techno-Utopisten klingt, könnte das nicht auch zu einer dystopischen Gesellschaftsstruktur führen, eine Art digitaler Anarchie, wo das Recht des Stärkeren herrscht, und wo letztlich Zusammenhalt und Solidarität leiden?

 

Markus Sabadello

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Skills:

Sovereign Digital Identity
,
Decentralization
,
Peace and Conflict
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