Gesamtüberblick
RemoteMentor: finaler Abschlussbericht
Abschlussbericht TU Graz / Uni Graz (05.03.2019)
Förderjahr 2017 / Project Call #12 / ProjektID: 2335 / Projekt: RemoteMentor

Das Konsortium des RemoteMentor Projektes setzte sich zusammen aus Forscher_innen, Entwickler_innen, Studierenden und Mentor_innen der TU Graz / Institut für Softwaretechnologie und der Uni Graz / Institut für Soziologie.

In diesem letzten Blog-Eintrag des Projektes RemoteMentor möchten wir einen Gesamtüberblick präsentieren und wichtige Ergebnisse zusammenfassen.

Insgesamt waren an diesem Projekt mehr als 200 Personen beteiligt. Anfangs möchten wir uns bei den ca. 120 Schüler_innen bedanken, welche sich bereit erklärt haben am Projekt mitzuwirken. Des Weiteren möchten wir uns bei den drei direkt beteiligten Lehrpersonen bzw. den zwei Partnerschulen bedanken. Ohne ihr Mitwirken und Engagement wäre das Projekt in diesem Umfang nicht möglich gewesen. Des Weiteren möchten wir uns bei allen Mentorinnen bedanken und auch bei den Studierenden aus unserem CATROBAT Team, welche kurzfristig als Mentor_innen eingesprungen sind.

Dieser Blog Eintrag ist folgendermaßen aufgebaut:

  1. Allgemeine Zusammenfassung des Projektes
  2. Projektabschlussbericht aus Sicht der Uni Graz / Institut für Soziologie
  3. Projektabschlussbericht aus Sicht der TU Graz / Institut für Softwaretechnologie
  4. Ausblick Projekt "CatPals"

 

1. Zusammenfassung

Das einjährige Projekt RemoteMentor (Start: Januar 2018, Ende: Februar 2019) wurde inspiriert von einer Idee aus dem Buch „Diamond Age“ aus dem Jahre 1995, ein Science-Fiction Roman geschriebenen von Neil Stephenson. Dieses Buch beschreibt eine Zukunftsversion (spielt Mitte des 21. Jahrhunderts) mit einem Fokus auf Neuentwicklungen im Bereich der Nanotechnologie. Im Laufe der Geschichte wird ein interaktives Lehrbuch entwickelt, das sich auf wundersame Weise auf Leser einstellt und über viele Jahre hinweg mit Wissen und Informationen versorgt. Eine illegale Kopie dieses Buches fällt der kleinen Nell in die Hände. Nell ist ein Mädchen aus der Unterschicht, welches mit dem Buch aufwächst und dabei eine fantastische Erziehung in jederlei Richtung bekommt. Dieses interaktive Buch fungiert in der Geschichte als eine Art Mentor für die kleine Nell, welcher sie immer tiefer in die unglaublichen Geheimnisse der Fibel eindringen lässt. In einem zentralen Teil des Romans bringt das Buch Nell das Programmieren auf spielerische Art und Weise bei.

Auf der Basis dieser Idee, dass mit der richtigen Unterstützung und vor allem gemeinsam viel mehr erreicht werden kann, wurde dieses Projekt initiiert. In weiterer Folge haben wir erste Mentor-Erfahrungen im Zuge der Google Code-In Veranstaltung im Januar 2018 gewonnen. Im März wurden Mentor_innen rekrutiert und didaktische Module für eine optimale Ausbildung ausgearbeitet und evaluiert. Im April 2018 starteten das Projekt in einem Testdurchlauf mit 8 Mentor_innen und 10 Mädchen an einer unserer Partnerschulen. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden Guidelines für Mentor_innen und Mentees ausgearbeitet und die erste Pilotphase an zwei Partnerschulen mit insgesamt 23 Schüler_innen vorbereitet. Die Einheiten fanden im Zeitraum von Mai bis Juni 2018 in Informatik statt. Das Lernziel war ein eigenes Spiel auf der Basis eines Storyboards zu erstellen. Darauffolgend wurde im August der Mentor_innenpool auf 12 Mentor_innen erweitert und ein zweites Modul mit Fokus auf verschiedene Anleitungen für verschieden Anwendungsfälle gelegt. Des Weiteren haben Bugfixes in der App selbst sowie ein Refactoring des Source Codes viele Probleme gelöst, welche zuvor bei der Programmierung mit Pocket Code auftraten. Im Oktober 2018 starteten wir mit vier Klassen und insgesamt 93 Schüler_innen. Diese Einheiten fanden von Oktober bis Dezember in Bildernischer Erziehung statt. Dieses mal war das Lernziel an den Schulen etwas unterschiedlich:

  • Partnerschule 1: Hier wurden Objekte gezeichnet, welche dann später in Pocket Code animiert wurden. Diese Objekte erklären in einer ersten Szene anhand eines berühmten Gemäldes „Kontrast“ und „Farbmerkmale“ in den Bildern. In der zweiten Szene wurde ein Spiel integriert.
  • Partnerschule 2: Auf der Basis von berühmten Gemälden wurden interaktive „Memes“ erstellt. In einer zweiten Szene wurde ein Spiel auf Basis des Memes hinzugefügt.

Nach den Remote Mentoring Einheiten füllten Schüler_innen Fragebögen aus um Verbesserungsvorschläge zu dokumentieren. In der vorletzten Einheit wurden Fokusgruppengespräche mit Mädchen durchgeführt, um ihre Meinung zu diesem Projekt zu sammeln und auszuwerten

Am 23.Oktober 2018 startete das Google Code-In Event, wo auch in diesem Jahr Catrobat wieder dabei war. In Zuge dessen war es uns möglich das Erfolgskonzept des RemoteMentor Projektes mit internationalen Usern zu testen. In der Zeit von zwei Monaten (Ende 12.Dezember 2018) konnten wir so Teenager von 13 bis 17 Jahren überall auf der Welt remote unterstützen, während sie verschiedene Task in Pocket Code absolvierten. In Zuge dessen wurden mehrere Remote Mentoring Sessions mit internationalen Usern durchgeführt und neue Erkenntnisse für eine dauerhafte Integration des Remote Mentorings in unsere bestehende Prozesse erarbeitet.

Dieses Projekt war gezielt auf die Förderung von jungen Mädchen in der Programmierung ausgelegt. Während der Projektlaufzeit wurde stets darauf geachtet, niemanden auszuschließen oder auch besonders hervorzuheben. Da es aber im regulären Unterricht generell nicht möglich ist, Angebote nur für Mädchen anzubieten bzw. sie nicht damit zu konfrontieren, dass speziell sie diese Förderung bekommen (sprich vorhanden Stereotypen in der Technik damit zu bestärken), wurden diese Remote Mentoring Einheiten für alle angeboten, sowie auch Fokusgruppengespräche mit allen durchgeführt. Für Auswertungs-/Evaluierungszwecken wurden aber nur jene RM-Sessions und Interviews der Mädchen transkribiert und evaluiert.

Ein weiterer Schwerpunkt des Projektes wurde draufgelegt, der DSVGO zu entsprechen. Dafür wurde bereits sehr früh Kontakt mit dem Datenschutzbüro der beiden Universitäten aufgenommen. In diesem Zuge wurde nicht nur die Einverständniserklärungen an die Eltern mehrmals überarbeitet, sondern auch ein gemeinsamer Kooperationsvertrag zwischen TU Graz und Uni Graz mit dem Zweck, dass die Daten sowie der Zweck und die Speicherung etc. festgelegt werden, unterzeichnet. Dieser Vertrag wird somit der TU Graz und Uni Graz als Vorlage für weitere Kooperationsprojekte dienen.

remote Mentor

 

2. Projektabschlussbericht Uni Graz / Institut für Soziologie

Das Projekt RemoteMentor wurde vom Team der Uni Graz vom Institut für Soziologie, bestehend aus Libora Oates-Indruchova, Jana Mikats und Sophi Valentin von Mai 2018 bis Oktober 2018 empirisch begleitet. Insgesamt wurden 16 Mentoring-Einheiten vor Ort beobachtet und 12 Gruppendiskussionen mit 61 jugendlichen Mädchen geführt. Diese Daten sowie 131 Transkripte der remoten Mentoring-Einheiten wurden in den letzten Monaten gemäß Verfahren der konstruktivistischen Grounded Theory in Ergänzung mit inhaltsanalytischen Techniken (qualitativ und quantitativ) codiert und analysiert.

Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass weniger das Geschlecht der MentorInnen, als die Art ihres Mentorings die (meist ersten) Programmier-Erfahrungen der jugendlichen Mädchen bestimmten. Anhand einer entwickelten Typologie können wir zeigen, wie unterschiedliche Kombinationen aus der Art von MentorInnen (ansagend- unterstützend) und den Einstellungen der Mädchen (aktiv- passiv, interessiert – desinteressiert) in vier Mentoring-Stile (kooperativ, direktiv, interaktiv und autoritär) resultieren. Diese bieten je nach Kombination Raum für selbstständiges Arbeiten und Kompetenzgewinn, oder verstärkten Selbstzweifel und Demotivation bei den Jugendlichen. Folglich kann das Angebot von Mentoring-Maßnahmen für jugendliche Mädchen großes Potential aber auch Hindernisse bereithalten.

In der Praxis hat also die Art des Mentorings und wie mit den Mädchen umgegangen wird, einen großen Einfluss drauf, ob sich im Zuge des Projekts das Gefühl der Inkompetenz bestätigt oder ob es zu Erfolgserlebnissen kommt.

Das Projekt RemoteMentor stellte für die Teilnehmerinnen einen oftmals positiven und spielerischen Einstieg in das Programmieren dar. Das zu Beginn bereitgestellte Tutorial Sheet fand lobende Worte: durch die Schritt-für-Schritt Anleitung war sehr gut nachvollziehbar was zu machen war. Die jugendlichen Mädchen konnten so die Programmierschritte gut alleine umsetzen, was ihnen das Gefühl gab das Spiel selbst programmiert zu haben. Andere Schülerinnen hatten hingegen das Gefühl, dass zu viel vorausgesetzt wurde, und dies führte dazu, dass sie sich als „zu schlecht“ oder „zu dumm“ wahrnahmen, etwa wenn gesagt wurde die Spielidee sei zu leicht, das Mädchen dann aber bei der Umsetzung überfordert war. Umgekehrt führten auch Anweisung sich nicht zu viel vorzunehmen oder die Spielidee zu vereinfachen zu Abwertungs-Erlebnissen.

Generell wurde ersichtlich, dass sich die Schülerinnen durchwegs gängiger Stereotype und Vorurteile über Frauen und Technik bewusst sind. Zum Teil sehen sie diese sehr kritisch, zum Teil identifizieren sie sich aber auch stark damit. So hielten die Schülerinnen Pocket Code für eine App, die für Kinder gemacht ist und fühlten sich zu alt dafür. Die jugendlichen Mädchen bezogen sich bei dieser Argumentation auf vergeschlechtlichte und stereotype Vorstellungen was Programmieren ist und empfanden das Programmieren der Spiele als nicht altersgerecht und nicht als „richtiges Programmieren“.

Die Unterstützung durch die Mentorinnen und Mentoren war für die Fertigstellung der Spiele wesentlich. Die Mädchen wussten die Eins-zu-eins-Betreuung sehr zu schätzen. Im Vergleich zu der Unterstützung im Unterricht konnten so Fragen und Probleme viel schneller, detaillierter und individuell bearbeitet werden. Wenn die Mentorinnen und Mentoren den jugendlichen Mädchen die einzelnen Schritte erklärten und die Mädchen aktiv in den Programmierprozess einbanden, trug dies dazu bei, dass die Mädchen einen besseren Einblick in den Programmierprozess bekamen und diesen auch verstanden. Das Anrufen einer fremden Person war jedoch für die Jugendlichen generell schwierig, besonders unangenehm war es, wenn eine männliche Person angerufen werde musste. So äußerten viele Schülerinnen den Wunsch, lieber eine Frau als Mentorin haben zu können (bezieht sich vor allem auf das erstmalige Anrufen).

In Folgeprojekten könnte es folglich sinnvoll sein mehr Kontext über das Thema Geschlecht und Technik zu geben, um den bestehenden Vorteilen aktiv zu begegnen und den Mädchen mehr Wissen an die Hand zu geben. Die Mentorinnen und Mentoren sollten auch hinsichtlich ihrer konkreten Mentoring-Tätigkeit geschult werden, diese Schulung sollte über das technische Knowhow hinausgehen und die Sensibilisierung auf Gender und Didaktik von Expertinnen oder Experten umfassen. Grundsätzlich scheint das einmalige Telefonieren mit einer unbekannten Person keine ideale Lösung für das Anbieten eines Mentoring an diese Zielgruppe zu sein. Für ein Mentoring ist es wichtig, dass regelmäßiger und längerfristiger Kontakt zu bereits bekannten Personen gepflegt wird.

Diese Ergebnisse wurden als Beitragsvorschlag für die Jahrestagung ÖGGF eingereicht (Notifikation im April 2019). Titel des Abstracts: Zwischen "Ich kann das" und "Ich bin nicht so gut in Technik-Sachen" - Eine Gender-Analyse der Interaktion zwischen jugendlichen Mädchen und ihren TutorInnen in einem Programmier-Projekt.

Die Jahrestagung der ÖGGF vom 7.-9. November 2019 findet an der Universität Innsbruck statt und widmet sich der Untersuchung der Transformation von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen in ihren historischen, räumlichen und wechselseitigen Beziehungen, Bedingungen und Wirkungen. Mit der Ausrichtung der Jahrestagung möchte die Interfakultäre Forschungsplattform Geschlechterforschung der Universität Innsbruck zugleich das 350-Jahr-Jubiläum der Universität Innsbruck ergänzen. Wir möchten daher die Analyse der Wandlungsprozesse von Geschlechterverhältnissen fokussieren, d.h. nach Veränderungs- und Beharrungsregimen fragen, einschließlich der sozialen Kämpfe und zivilgesellschaftlichen Protestkonstellationen, durch die diese angestoßen, behindert, mobilisiert und kommuniziert werden.

Als Resultat wird auch eine Masterarbeit am Institut Soziologie zu diesem Thema verfasst. Die Masterarbeit wird voraussichtlich im April 2019 fertiggestellt.

 

3. Projektabschlussbericht TU Graz / Institut für Softwaretechnologie

Das Projekt RemoteMentor wurde an der TU Graz am Institut für Softwaretechnologie von Wolfgang Slany, Bernadette Spieler und Matthias Müller, sowie 16 Mentor_innen (Studierende der TU Graz) und weiteren Studierenden des Catrobat Projektes gemeinsam initialisiert, konzipiert, durchgeführt und analysiert (gemeinsam mit dem Team der Uni Graz).

Auf Seiten der TU wurden die folgenden zwei Ziele verfolgt:

  1. Analyse von Einflussfaktoren und Problemen, mit denen Mädchen in der Informatik konfrontiert werden, sowie definieren von Lösungsvorschlägen.
  2. Konzept zur Integration des RemoteMentor Projektes in unsere bestehenden Prozesse auf Basis der Evaluierung der RemoteMentoring Sessions an den Pilotschulen/ Google Code-In Event.

Ergebnis 1: Journalartikel „Female Teenagers in Computer Science Education: Understanding Stereotypes, Negative Impacts, and Positive Motivation” (zurzeit in peer-review)

Mit dem Fokus der Mädchenförderung in der Programmierung, war ein Ziel an der TU Graz unsere Usergruppe zu analysieren und Probleme mit denen Mädchen in Informatikklassen konfrontiert sind zu eruieren. Dafür wurde eine Recherche über die aktuelle Literatur dazu durchgeführt. Es wurden kulturelle und soziale Einflüsse, sowie Stereotypen in der Informatik genannt oder fehlende Role Models, Mentorinnen und der Einfluss von stereotypisierten Filmen und Computerspielen aufgezeigt. Weitere Themen sind Vorurteile und Unterschiede in der Informatik, wie unterschiedliche Interessen, Erfahrungen, Selbstvertrauen oder Selbstwirksamkeit. Abschließend wurden Ungleichheiten in der Informatiklehre benannt, wie die Rolle von Lehrpersonen, Rücksicht auf Sprache und verwendete Materialien, Berücksichtigung der Unterschiede in der Programmierung und unterschiedliche Herangehensweisen. Als Ergebnis dieser Literaturrecherche sind die folgenden zwei Übersichtsgrafiken bedeutend.  

girls in computing

Abbildung: The decrease in motivation in girls: Social and cultural shaping of the negative stereotype of a “Girl in Computing” by its binary relation to the stereotyped “Boy in Computing” by and through the preconceptions and inequities in (CS-) education. Consequently, the motivators (interest, sense-of belonging, engagement/fun, and self-efficacy) are reduced in girls. The articles used for this review represent published scientific literature on the topics of gender stereotypes in computing and on differences in coding classes at high school and university levels that shape the stereotypes of boys and girls in CS along with the attributes associated with both stereotypes. Sources: Cultural and social influences: (Cheryan et al., 2011; Cheryan et al., 2013; Young et al., 2013; Dasgupta and Stout, 2014; Galdi et al., 2014; Gabay-Egozi et al.; 2015; Frieze and Quesenberry, 2015; Lynch et al., 2016; Master et al., 2016) Preconceptions and differences in (CS-) classrooms: (Carter, 2006; Goode et al., 2006; Weibert et al., 2012; Giannakos et al., 2014; Alvarado et al., 2017) Inequity in CS-education: (Grigoreanu et al. 2008; Cheryan et al.; 2009, , Zagami et al., 2015; Medel and Pournaghshband, 2017)  Internet sources: (Schwartz, 2013; Brewer, 2017; Microsoft, 2017; Google, 2018) 

solution

Abbildung:  The increase in motivation by creating CS classes free from stereotypes: reshaping the picture of people in computer science, building non-stereotypical classrooms by gender-aware teachers.   Sources:  Cultural and social influences: (Lockwood, 2006; Cheryan et al., 2013; Young et al., 2013; 2017) Preconceptions and differences in (CS-) classrooms: (Carter, 2006; Sadler et al., 2012; Weibert et al., 2012; Giannakos et al., 2014; Khaleel et al., 2015; Frieze and Quesenberry, 2015; Unfried, 2015) Inequity in CS-education: (Beckwith et al., 2006; El-Nasr et al., 2007; Grigoreanu et al., 2008; Craig et al., 2013; Krieger, Allan, and Rawn, 2015; Zagami et al., 2015; Alvarado et al., 2017; McLean and Harlow, 2017; Wong and Kemp, 2017)   Internet sources: (Schwartz, 2013; Yee, 2017; Microsoft, 2017; Google 2018)

Link zum Paper: https://arxiv.org/abs/1903.01190

Ergebnis 2: Konzept zur Integration der RemoteMentoring Ergebnisse in Catrobat Tools und Services

Das RemoteMentor Projekt brachte uns viele Erkenntnisse über den Einsatz verschiedener Tools, Schulung/Anforderungen an Mentor_innen, Bedürfnisse und Ängste unserer Zielgruppe und nicht zuletzt: fehlende Funktionalitäten auf unserer Catrobat Community Seite. Diese Erkenntnisse und Ergebnisse werden in einer Diplomarbeit eines Lehramtsstudierenden der Informatik analysiert und bearbeitet, mit dem Ziel User Stories für die zukünftige Entwicklung von CatPals zu definieren. Die Entwicklung dieser neuen Features (siehe nächster Abschnitt) startet im Mai 2019 als eine neue Komponente unseres Projektes.

Folgende Ergebnisse des RemoteMentor Projektes werden hierfür analysiert:

  • didaktische Konzepte zur Integrierung des Remote Mentorings in den regulären Unterricht auszuarbeiten und Anforderungen an das Remote Mentoring zu eruieren (z.B. Länge, Aufbau und Ablauf der Session etc.) bzw. unterstützende Materialien für Mentor_innen und Mentees bereitzustellen/auszuwerten
  • didaktische Module zur Schulung der Mentor_innen zu erarbeiten und deren Nutzen zu evaluieren
  • die Mentor_innen zu begleiten/auszubilden, Probleme welche während der Remote Mentoring Einheiten aufkommen zu analysieren, bzw. ihre Kommunikation untereinander mit dem Ziel daraus ein FAQ Katalog zu erstellen
  • Verbesserungsvorschläge auf Seiten der Mentor_innen und Seiten der Schüler_innen zu sammeln und zu evaluieren, um daraus Anforderungen an eine dauerhafte Integration des Remote Mentoring Prinzips in unsere bestehenden Prozessen abzuleiten (z.B. Anforderungen an unsere Community Plattform bzw. an die App)
  • Überprüfung der Wirksamkeit des Remote Mentorings auf Basis der hochgeladenen Projekte hinsichtlich Erreichung des Lernzieles und verwendete Konzepte bzw. einer Game Design Analyse (z.B. Anzahl der verwendeten Objekte, Skripte, verwendete Grafiken, Genre/Themes der Spiele, etc.)
  • Das Prinzip des Remote Mentoring auf unsere internationale Usergruppe auszuweiten zur Testung der Akzeptanz bzw. Analysieren von Schwierigkeiten welche online entstehen können

Die Diplomarbeit wird voraussichtlich im Juli 2019 fertiggestellt bzw. wird eine Veröffentlichung der Ergebnisse darauf für Sommer 2019 angestrebt. Grundsätzlich wurde das Konzept von allen beteiligten Lehrpersonen gut angenommen und alle könnten sich vorstellen, auch im nächsten Jahr wieder Remote Mentoring Sessions in den Unterricht zu integrieren. Die Ergebnisse aus dem schulischen Umfeld weisen jedoch einige Probleme auf, welche in dieser Form online mit der Zielgruppe Jugendliche, welche Pocket Code in ihrer Freizeit nutzen, auftauchen können. Folgende Probleme konnten beobachtet werden: 1) Die Geräte wurden von der TU Graz zur Verfügung gestellt. An einer Partnerschule wurde das Projekt parallel in drei Klassen durchgeführt. Daraus folgte, dass Schüler_innen klagten, dass ihr Projekt von anderen gelöscht wurde, bzw. dass es von anderen verändet wurde. Beide Situationen sind unrealistisch in Bezug auf unsere Zielgruppe, da Jugendliche ihr eigenes Gerät besitzen und keiner an ihrem Projekte, ohne ihr Wissen/Zustimmung weiterprogrammieren kann (die Projekte sind lokal am Handy gespeichert). Dies führte unter den Schüler_innen zu Frustrationen, da Arbeit die bereits investiert wurde, verschwand und von neu begonnen werden musste. Manche verwendeten allerdings ihr privates Handy und programmierten auch zu Hause weiter. 2) An der zweiten Pilotschule hatten wir nur eine Doppelstunde für die Einschulung und Ideenfindung (an der ersten Pilotschule 2 Doppelstunden). Die Herausforderung, ihnen in dieser Zeit Grundkonzepte des Programmierens/von Pocket Code zu erklären, einen Einstieg in das Projekt zu finden, sowie sie selbst Programmieren zu lassen und Zeit zu finden, dass sie ihre Idee via Storyboard konzipieren war eine Herausforderung, welche von vielen Schüler_innnen als zu stressig empfunden wurde. Als Konsequenz hatten viele am Anfang der ersten Remote Mentoring Einheiten noch keine Idee und brauchten mehr Hilfe durch die Mentor_innen. Auch dieser Faktor ist im Vergleich zu einem freieren Setting, wo die Kids sich in ihrer Freizeit wesentlich länger und ungestörter mit der App beschäftigen können, ein negativer Einflussfaktor, der eine realistische Einschätzung in Frage stellt. 3) Schlechtes Internet führte an beiden Schulen zu Problemen. Gleichzeitig befanden sich bis zu 13 Schüler_innen in RM Sessions. Das Internet fiel oftmals ganz aus, oder die Bild+Ton-Verbindung war zu schlecht - dies beeinflusste die Qualität der Remote Mentorings Sessions ebenso. 4) Schüler_innen fielen aufgrund von Krankheit oder anderen Versäumnissen aus, und manche hatten weniger Zeit ihr Spiel zu beenden.

Remote Mentor_in zu sein ist herausfordernd. Neben sprachlichen Schwierigkeiten (die zweite Partnerschule ist eine Bilinguale Schule, Schüler_innen sowohl auch Mentor_innen hatten Schwierigkeiten mit Englisch) und den technischen Schwierigkeiten, kam es auch zu inhaltlichen Problemen. Natürlich ist jedes Spiel unterschiedlich und die Mentor_innen mussten sich wieder neu orientieren. Durchschnittlich 10 Minuten der Sessions werden für die Verbindung und Erklärung benötigt, bis mit aktiver Hilfestellung begonnen werden kann. Da die meisten Mentor_innen Pocket Code erst seit Anfang des Projektes kennen und die Mentor_innen nicht auf alle Probleme (manchmal auch Pocket Code bezogenen Probleme) eine Antwort wissen, wurden auch öfters Fragen über Slack gestellt (hier fand die Kommunikation unter den Mentor_innen statt, bzw. wurden darüber Informationen von den Personen vor Ort an die Mentor_innen weitergegeben). Des weiteren musste eine Person vor Ort immer im Raum in dem die Sessions stattfanden präsent sein (um Verbindungsfehler, Missverständnisse und inhaltliche Fragen zu beantworten). Folgende Verbesserungsvorschläge seitens der Mentor_innen wurden vermerkt: 1) es wird ein_e Moderator_in für Mentor_innen benötigt, welche auf inhaltliche Fragen antworten kann. 2) Kurze Beschreibung der Projektidee, was wurde bereits gemacht und Einsicht in das Programm vorab. 3) eigene Räume um störende Hintergrundgeräusche zu vermeiden.

Die Module, welche die Mentor_innen unterstützen sollten, bzw. vorbereiten sollten, wurden sehr gut umgesetzt. Neben der inhaltlichen Schulung zu Pocket Code, sind aber auch didaktische Module notwendig. Hier soll z.B. das Ziel des Mentorings erklärt werden (keine Schritt-für-Schritt Anleitungen, sondern zur Lösung führen) sowie Fragen und Methoden aufgezeigt werden. Alle Schüler_innen haben sich bereit erklärt zwei RM Session zu absolvieren, doch nicht jede_r hat diese Einheiten gebraucht, manche waren bereits mit ihrem Programm fertig. Hier wurde versucht, dass Mentor_innen auch motivierend bestärken und anregen, noch weitere Elemente zum Spiel hinzuzufügen. Dies entspricht nicht der Realsituation, da Mentees welche Hilfe brauchen, meist mit einem konkreten Problem/Fragestellung starten. Als sehr wichtig wurde die Kommunikation unter den Mentor_innen gesehen. Hier wurden Probleme während der Sessions besprochen, Fragen an die Personen vor Ort gestellt und auch untereinander (zb bei technischen Problemen) geholfen.

Spiele/Lernzielerreichung: Aufgrund der genannten Probleme, konnten nicht alle ein fertiges Spiel präsentieren. Fast alle hatten eine Animation/ein Meme integriert und 1/3 der Schüler_innen haben das Lernziel vollständig erreicht (Animation und Spiel). Bei vielen konnte man die Spielidee erahnen. Genannte Gründe auf seiten der Mentees waren 1) zu wenig Zeit, 2) das Lernziel wurde nicht klar kommuniziert, 3) die Mentor_innen konnten ihnen nicht helfen, haben sie nicht verstanden. Da im schulischen Umfeld, Motivation und die Freiwilligkeit zusätzlich Barrieren sind, ist es schwer hier ein Ergebnis auszuwerten. Grundsätzlich baut die Theorie des Constructionism (siehe Seymour Papert, 1991) auf den Prozess des konstruieren und erschaffen auf, und weniger auf das finale Ergebnis. Die Spiele zeigten durchwegs Kreativität und die Lehrpersonen sowie auch die Schüler_innen reagierten positiv auf die Möglichkeit Pocket Code im Unterricht zu nutzen.

Beispiele von Spielen sind in diesem Video zusammengefasst: https://www.youtube.com/watch?v=61gKmxxHE6g

In weiterer Folge werden die Ergebnisse von Soziologen bezüglich der unterschiedlichen Einstellungen von Mädchen (aktiv- passiv, interessiert – desinteressiert) mit dem resultierenden Lernziel verglichen.

Google Code-In Auswertung: Beim Google Code-in Wettbewerb 2018 haben 3123 Schülerinnen und Schüler aus insgesamt 77 Ländern die verschiedensten Aufgaben im Bereich Open Source Software meistern können um am Ende als Hauptgewinner eine Einladung von Google zu ihrem HQ nach Kalifornien zu gewinnen. Catrobat war als teilnehmende Organisation schon zum zweiten Mal vertreten. Insgesamt schafften es die 77 Schülerinnen und Schüler, welche sich uns als ihre Organisation ausgesucht hatten, 348 Challenges zu erledigen. Diese Aufgaben waren nicht nur auf Programmieren mit Pocket Code begrenzt, sondern forderten auch kreatives Talent, wie zum Beispiel Grafiken oder Logos zu designen, aber auch Engagement in der Open Source Community, zum Beispiel bei der Mitarbeit in unserem Wiki-System.  Eine Neuerung dieses Jahr war es, dass wir auch die Möglichkeit anboten, direkt von einem RemoteMentor per Screensharing und Sprachchat Hilfe zu bekommen. Die Problemstellungen der Schülerinnen und Schüler waren weit gefächtert und reichten von Anfängerfragen, z.B.: „Wie programmiere ich einen Spielstand?“, bis hin zu komplexen Versuchsaufbauten, z.B.: „Wie steuere ich einen Steppermotor an meinem RaspberryPI an?“. Eine der größten Hürden war für uns die Koordination mit den Teilnehmer_innen. Da diese aus den verschiedensten Ländern der Erde kamen, unsere Mentoren aber hauptsächlich aus Österreich, war es, alleine schon aufgrund verschiedener Zeitzonen, schwierig sich zu koordinieren. Hinzu kam auch eine gewisse Sprachbarriere, obwohl sich hier Englisch als Lingua Franca bewährte. Eine weitere Hürde war auch, dass wir noch gezwungen sind auf Tools von Dritten zurückzugreifen wie Google Forms für die Terminkoordination oder Zoom für das Screensharing. Kinder die schnell zu einem konkreten Problem Hilfe benötigten fanden es oft müßig mehrere Apps zu verwenden, sowie noch auf eine Antwort zu warten. Besonders da die Schülerinnen und Schüler unter Zeitdruck standen, schließlich sah Google vor, dass die Kinder auch nach Anzahl der erledigten Aufgabenstellungen zu bewerten sind. Für die Zukunft nehmen wir mit, dass es um das Projekt RemoteMentoring dauerhaft zu etablieren nötig ist, möglichst viele Hürden abzubauen. Ideal wäre hierbei eine automatische Matchmaking-option welche verfügbare Mentoren und Mentees automatisch zusammenführt um gemeinsam Probleme zu lösen.

Die verwendeten Tools: Zoom (Screen-Sharing), Hangouts (Matchmaking Pilotschule 1) und Discord (Matchmaking/Forum während Google Code-In), haben sich als sehr nützlich herausgestellt. Vor allem Zoom hat alles was dafür benötigt wird, wie Chat, Video,- und Voiceübertragung, Hostvergabe und Nutzen von verschiedenen Werkzeuge während der Session sowie andere Features wie Meetings mit mehreren Teilnehmer_innen etc. Die einzige Schwierigkeit war die erste Verbindung (wie teile ich meinen Bildschirm, wie aktiviere ich das Mikrophon). Für diese Zwecke wurden Tutorials erstellt (für beide Seiten) und laufend angepasst.

Folgende Dokument wurden entwickelt:

Fazit: Das Projekt war ein Erfolg, jedoch sind zwei Einschränkungen zu beachten: 1) genannte Limitationen im Schulumfeld, 2) Freiwilligkeit der Mentor_innen. Da die Mentor_innen über das NetIdee Projekt finanziert wurden, war von Anfang an klar, dass dieses Projekt in dieser Form nicht skalieren kann. Daher wurde der Fokus des Projektes am Ende darauf gelegt, wie das Prinzip des RemoteMentor Projektes effizient in unsere bestehenden Systeme integriert werden kann. Dafür wurde die Idee von "CatPals" entwickelt, die im Folgenden kurz beschrieben wird.

 

4. Ausblick / Weiterentwicklung von RemoteMentor

Unter dem Arbeitstitel “CatPals” wird gerade an der TU Graz ein neues Projekt konzeptioniert, das es Kindern ermöglichen soll sich gegenseitig bei Aufgabenstellungen und Problemen zu helfen, sowie gemeinsam an Catrobat Projekten zu arbeiten.

Die Basis für dieses System soll dabei die bereits vorhandene Plattform https://share.catrob.at bilden. Diese ist momentan dazu da um die eigenen fertigen Programme von der lokalen App hochzuladen und sie somit der Welt zu präsentieren. Andere Benutzer können diese dann auf ihre Pocket Code App herunterladen, den Quellcode ansehen und beliebig verändern, und dann ihre Version erneut hochladen.

Jetzt soll der nächste Schritt für diese Plattform folgen. Benutzer_innen soll es ermöglicht werden ihre Fragen direkt auf dieser Plattform zu veröffentlichen wo sie dann direkt mit anderen Benutzer_innen in Chats verbunden werden sollen, die ihnen dann helfen können. Das Prinzip ist inspiriert von gängigen modernen Computerspielen, in denen in gleicher Manier Spieler, die sich untereinander nicht kennen, automatisch vermittelt werden und problemlos gemeinsam spielen können. Somit wird auch eine Hierachie bzw. Barriere aufgehoben, welche in einer Mentor_in/Mentee Beziehung vorkommen und mehr der Teamgedanke gefördert.

Um die Motivation der Jugendlichen zu erhöhen werden Konzepte der Gamification angewandt. Es soll möglich sein, das Gegenüber nach erfolgter Kollaboration positiv zu bewerten, hier können die User Punkte sammeln, welche ihnen dann bestimmte Symbole freischalten, so genannte Badges. Erfahrene und besonders hilfreiche Benutzer_innen sind somit leicht erkennbar. Solche Systeme sind in vielen Online-Communities bereits gang und gäbe und tragen in dieser Form oft auch zur Qualitätskontrolle bei.

Um die Sicherheit und ein gutes Miteinander zu gewährleisten werden problematische Inhalte und Benutzer_innen gemeldet werden können, wodurch anschließend von einem/r Moderator_in Maßnahmen ergriffen werden können. Da unsere Plattform hauptsächlich von Minderjährigen verwendet wird, wird mit besonderer Sorgfalt darauf geachtet die Möglichkeiten zu implementieren um präventiv und aktiv Cyber-Mobbing zu verhindern.

Zukünftig soll uns dieses geplante Upgrade an eine App näher bringen, mit Hilfe derer sich Jugendliche gegenseitig helfen und zusammenarbeiten können um frei nach dem Grundsatz Lehren ist das beste Lernen“ ein besseres Verständnis vom Programmieren zu erhalten.

Die Wirksamkeit dieser Entwicklungen (Förderung von Mädchen durch Collaboration&Community-Gedanken) sollen in einem neuen Projekt (EU H2020 Research Innovation and Action Antrag) evaluiert werden (Projektstart: 2020).

 

Bernadette Spieler

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Frau Dr. Bernadette Spieler ist Projektleiterin des Catrobat Entwicklerteams und beschäftigt sich in ihrer Forschung damit Mädchen für Programmieren zu begeistern, zB B. Spieler (2018) Reinforcing Gender Equality by Analysing Female Teenagers’ Performances in Coding Activities: A Lesson Learned, In Proceedings of Conference on Gender IT 2018 / GEWINN-Konferenz 2018

Skills:

Agile Software Development
,
Education
,
Smartphones
,
Mobile Development
,
Gender, empirische Sozialforschung
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