Förderjahr 2017 / Stipendien Call #12 / ProjektID: 2188 / Projekt: Das Konzept der e-residency
Im Jahr 2018 feiert Estland sein 100. Unabhängigkeitsjubiläum und in Österreich wird der 100. Jahrestag zur Gründung der Republik begangen. In beiden Ländern wird gefeiert, die beiden Jubiläen sind allerdings nicht der Grund, weshalb ein Vergleich l
Im Laufe meiner Lektüre zur Digitalisierung in Estland und der Europäischen Union wurde mir immer bewusster: Estland wird gerne als Vorreiter beschrieben bzw. bewirbt auch gerne selbst dieses Bild. Die Realität sieht allerdings anders aus.
Estland und Österreich in den Rankings
Es zeigen Publikationen, dass etwa bei der e-Governance (Noch-)Mitgliedsländer wie Großbritannien, Portugal oder aber Österreich auch gute Positionen einnehmen: https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/new-study-egovernment-services-europe-improving-cross-border-availability-services
Wird ein Blick in die Publikationen der Vereinten Nationen geworfen, zeigt sich, dass Estland, etwa bei den elektronischen Partizipationsmöglichkeiten, von etlichen EU-Mitgliedsländern in den Schatten gestellt wird: http://workspace.unpan.org/sites/Internet/Documents/UNPAN97453.pdf
Wien oder Tallinn als digitales Zentrum?
Ein ebenso recht durchschnittliches Ergebnis nimmt Tallinn mit Platz 18 in dem European Digital City Index (https://digitalcityindex.eu) ein. Die vermeintliche Traumdestination von Start-Ups wird von anderen Städten überholt - auch von Wien mit Platz 10.
Es ist schon erstaunlich, dass in Estland, wo man sich seiner Start-Up-Kultur in Administration und Gesellschaft rühmt, die Bedingungen für GründerInnen weniger attraktiv sind als in anderen europäischen Städten. Ich empfehle deshalb, beim nächsten gemütlichen Beisammensein unter Freunden oder Kollegen nach den drei attraktivsten Städten für Entrepreneurs zu fragen. Mit Sicherheit wird Tallinn genannt und mit Sicherheit freuen sich Ihre/Eure Mitmenschen über eine darauf folgende Desilussionierung.
Digitale und analoge Gespräche
Denn eines ist mir in den letzten Monaten klar geworden: Während BürgerInnen von Estland, Österreich aber auch anderen europäischen Ländern die digitale Vorreiterrolle stets Estland zuschreiben, ist das Bild unter den ausländischen ExpertInnen stets realistischer.
Auch in Bezug auf die e-residency wurde mir im Rahmen von etlichen Interviews klar, dass das Programm zwar die Aufmerksamkeit von ExpertInnen erhielt, jedoch recht schnell auch eingeordnet werden konnte. So wurde von InterviewpartnerInnen das gelungene Marketing der estnischen Regierung stets betont, aber gleichzeitig darauf verwiesen, dass diese Philosophie oder Kultur für Estland spezifisch sei und kein Interesse bestünde, diese Vorgehensweise zu übertragen.
Fakten, Fakten, Fakten
Schon vor Beginn meiner Recherchen habe ich nicht immer verstehen können, wie leidenschaftlich Menschen auf die ach so träge Administration in Österreich schimpfen. Ich finde es meist zielführender, Veränderungen anzustoßen. Zweifelsohne sind Verbesserungen nötig (und da ist man ja auch dran), aber ein verträumt-verklärter Blick nach Nordosteuropa scheint mir nach Interviews, Lektüre und dem Aufenthalt vor Ort auch nicht richtig. Meines Erachtens nach wäre es wünschenswert, wenn die eigenen Fortschritte in Österreich erkannt werden würden - zu viele Statistiken zeigen doch, dass Österreich gut dabei und Estland nicht das digitale Wunderland ist.